Heute gibt es zwei Musikvideos, die zusammengehören. Sie ähneln sich technisch und ergänzen sich inhaltlich. Eigentlich sind es sogar drei.
Das erste der beiden Musikvideos ist von The Knife. Es heisst Pass this on und ich habe es in meinem Sommer zum Festhalten entdeckt. Schaut und hört selber.
Das Lied und das Video gefallen mir, weil sie Menschen aus der Reserve locken. Aus der anfänglichen Skepsis entsteht Bewegung. Die Schöne zieht die Menschen in ihren Bann – nur eine bleibt skeptisch. Vielleicht zurecht: Immerhin singt die Schöne von ihrer Liebe zu einem anderen und nicht zu den Menschen, die sie in ihren Bann zieht.
Das andere Musikvideo ist von Nand und heisst Dachlatte. Ich bin darauf gestossen, nachdem alles viel grösser wurde.
So sexy wie Karin Dreijer, die Sängerin von The Knife, führt sich Ferdinand Kirch aka Nand zwar nicht auf. Mir gefällt er trotzdem besser. Vielleicht weil er ein Mann ist, vielleicht weil er deutsch singt. Vielleicht weil in seiner Performance Humor steckt. Vor allem aber, weil er es auch so schafft, die Menschen zu bewegen – und er hinterlässt niemanden skeptisch.
Was Pass this on und Dachlatte gemeinsam haben und beide Videos beweisen: Sie bringen Menschen zum Tanzen. Das gefällt mir nebst dem provinziellen Setting, in dem ich mich selbst auch immer wieder wähne.
Noch mehr zum Abtanzen
Sieht man die Videos zusammen, könnte Dachlatte durchaus als abgekupfert gelten, weil Pass this on zehn Jahre früher erschienen ist. Mich spricht bei der neueren Version der befreiende Effekt der Enttäuschung an – wie als Antwort auf die vereinnahmende Täuschung der älteren Version.
Und beide zusammen sagen mir persönlich: Nichts – und vor allem keine Liebe – ist gleich, auch wenn es manchmal den Anschein macht. Vor allem dann, wenn sich Erinnerungen einmischen, die zu irrelevanten Vergleichen verleiten und nur auf eigenen Mustern beruhen. Von daher: Mir gefallen Pass this on und Dachlatte sehr. Jedes Lied auf seine Weise.
Es gibt noch ein weiteres Musikvideo mit einem ähnlichen choreografischen Konzept. Es heisst Feed your head, ist von Paul Kalkbrenner und von Jefferson Airplane abgekupfert. Das Video ist Teil des Filmprojekts Florian über einen Jungen, der autistische Züge hat und die Umwelt um sich abschreckt mit dem, was ihn glücklich macht.
Im Video gelingt es auch Florian, die Menschen um sich zum Tanzen zu bringen. Manchmal wünsche ich mir das auch, versuche es und schaffe es nicht immer. Den Versuch dann aufzugeben, ist schmerzhaft. Und es zu überwinden, dauert länger als die Aufforderung zum Tanzen selbst.
Noch mehr zum Abkupfern
Abkupfern steht übrigens für die Herstellung einer Kopie. Ursprünglich war damit die Vervielfältigung eines Kupferstichs gemeint. Im 17. und 18. Jahrhundert ritzten Kupferstecher Originale von bildlichen Darstellungen in Kupferplatten. Umgangssprachlich ist das Wort eher abwertend im Einsatz, zum Beispiel bei einem Plagiatsvorwurf.
Eigentlich ist Kupfer hellrot bis rotbraun schimmernd. Mit der Zeit kann Kupfer die Farbe ändern. Die Grünfärbung nennt sich Patina – eine feine, oberflächliche Schicht auf dem Kupfer. Sie entsteht durch diverse Gase und Flüssigkeiten der Umwelt. Die Patina bildet sich nur auf der Oberfläche und versiegelt das Kupfer unter ihr.
Sowohl beim Abkupfern als auch bei der Patina geht es also um Täuschungen. Wichtig beim Abkupfern – zum Beispiel in Blogs wie diesem – sind Quellenangaben. Heutzutage ist diese Transparenz und Ehrlichkeit recht einfach mit einem Link an der passenden Textstelle oder in der Bildlegende (falls verlangt) integrierbar.
Das Metall steht auch für eine sehr aktuelle grosse Täuschung: Kupfer ist einer der wichtigsten Rohstoffe für die Energiewende. Fraglich ist dabei, ob ein umweltfreundlicher und fairer Abbau überhaupt möglich ist. Erst recht, wenn die Nachfrage stark steigt, weil Kupfer zum Beispiel in Solaranlagen und Elektroautos zum Einsatz kommt.
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