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Her mit der Herdensolidarität

Heute durfte ich mit einem unkomplizierten, kleinen und ad-hoc aufgestellten Team auf dem Rathausplatz Glarus eine Mahnwache organisieren.


Das Mikrofon stand allen Menschen offen, die reden wollten. Und es wollten viele reden – sicher zehn, vielleicht dreizehn Menschen. Die einen redeten spontan, andere vorbereitet. Die Menschen hatten das Bedürfnis danach. Seine spannende Eröffnungsrede hat André Siegenthaler-Lüthi hier veröffentlicht.


Auch ich hatte etwas vorbereitet und durfte zum Schluss reden.


Liebe Menschen


Ich bin sprachlos.

Sprachlos wegen des Krieges.

Sprachlos wegen des Tötens.

Sprachlos, weil Menschen ihre Heimat verlassen müssen.



Aber ich will nicht sprachlos bleiben.

Obwohl ich nicht weiss, was ich sagen soll.

Oder was ich sagen darf.


Mein Kopf ist zwar voll von Gedanken.

Aber sie in Worte zu fassen,

ohne andere zu verletzen oder wütend zu machen,

ist unglaublich schwierig.


Ich will aber nicht einfach etwas sagen, das allen gefällt.

Nur damit wir uns im Taumel der Solidarität trotz allem gut fühlen.


Ich frage mich nämlich, wie lange unsere Solidarität dieses Mal dauert?

Und ich frage mich, wie schnell es dieses Mal geht, bis wir uns spalten lassen?

Egal von welcher Seite.



Hält unsere Solidarität nur,

solange wir nicht an unseren Arsch frieren?

Oder lassen wir uns spalten,

wenn das Benzin für unsere Autos kontingentiert wird?

Vermutlich passiert beides schon früher.


Vielleicht erinnern Sie sich noch an den Jugoslawien-Krieg.

Als die Menschen aus dem Balkan zu uns flüchteten, war ich ein Teenager.

Der Krieg dauerte zehn Jahre.

Was nach 20 Jahren bei uns immer noch herrscht,

sind lauter Feindseligkeiten.


Vielleicht dachten wir,

die Menschen kehren bald zurück in ihre Heimat.

Vermutlich wünschten sie sich das selber aus tiefstem Herzen.

Aber ein Krieg geht nicht einfach mal so schnell vorbei.


Ein Krieg verletzt und hinterlässt Wunden.

Ein Krieg führt zu Angst und Wut.

Ein Krieg wirft das Leben der Menschen über den Haufen.

Ein Krieg zerstört, was früher mal Heimat war.



Vielleicht fragen Sie sich jetzt gerade:

Was weiss der vom Wohlstand verwöhnte Mann schon von Krieg?

Zum Glück nicht viel!


Aber etwas weiss ich:

Momentan herrscht Krieg in der Ukraine.


Und es herrscht Krieg in Mali, Nigeria, Kamerun, Tschad, Niger, der Zentralafrikanischen Republik, der Demokratischen Republik Kongo, Äthiopien, Sudan, Libyen, Ägypten, Somalia, Mosambik, Mexiko, Kolumbien, Türkei, Syrien, Irak, Jemen, Afghanistan, Pakistan, Indien, Myanmar, Thailand und auf den Philippinen.


Diese Liste hat Klimastreik Schweiz veröffentlicht und schreibt dazu:

Das Traurige ist,

bei der Recherche war es schwierig,

alle Kriege zu finden.


Und das Traurige ist,

dass wegen des Kriegs in der Kornkammer Ukraine

eine weltweite Hungersnot droht.

Auch in allen diesen Ländern.

Eine Hungersnot,

von der wir uns vermutlich wieder freikaufen können.


Liebe Menschen:

Kriege führen immer andere als die, die darunter leiden.

Für Frieden braucht es darum nicht immer noch mehr Waffen.

Für Frieden braucht es Herdensolidarität.



Herdensolidarität erreichen wir,

wenn wir die Menschlichkeit konsequent ins Zentrum stellen.

Als Mitmensch, als Gesellschaft, als Unternehmen, als Politiker und als Staat.


Und Herdensolidarität erreichen wir,

wenn wir bereit sind, für die Freiheit von allen Menschen

auf unsere Vorteile zu verzichten,

die patriarchale, autoritäre und profitorientierte Systeme unterstützen.


Ich weiss,

im Moment hilft das den Menschen in der Ukraine wenig.

Aber das heisst nicht, dass wir das Problem nicht an der Wurzel packen müssen.


An der Wurzel packen heisst: System Change.


Solange aber die Menschen,

die das immer und immer wieder fordern,

ausgelacht und stillgehalten werden,

wird unglaubliches Leid wie in der Ukraine

der Normalfall auf der Welt bleiben.


Liebe Menschen:

Es braucht den Kopf,

um den Arsch zu bewegen.

Und es braucht das Herz,

um die Welt zu retten.


Es wäre wirklich super, wenn wir das endlich ernsthaft anpacken.


Danke, dass Sie dabei sind.



Teil des unkomplizierte ad-hoc-Organisationskomitees der Mahnwache ist auch Daniel Jenny. Er ist Mitglied des kantonalen Kirchenrats und hat die Menschen, die Plätze für Flüchtlinge bereitstellen wollen, darum gebeten, sich bei der evangelisch-reformierten Landeskirche zu melden.



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