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AutorenbildFee

Keine Blumen

Heute galt es ernst. Genauer gesagt: Heute vor 51 Jahren. Es war autofreier Sonntag. Auch gestern galt es ernst. Genauer gesagt: Heute vor einem Tag. Es war Abstimmungssonntag.


Zum Jahrestag meiner Taufe am ersten autofreien Sonntag während der Ölkrise steht in diesem Blog fast immer was. Inzwischen gibt es für autofreie Sonntage im besten Fall ein müdes Lächeln. Immerhin soll es im verkehrsgeplagten Klöntal (GL) bald jährlich drei davon geben. Die Idee geht zurück auf die Glarner Landsgemeinde 2022.


Ob 1973 in der ganzen Schweiz, vor zweieinhalb Jahren auf dem Ring oder gestern während der Volksabstimmung: Es war Aufregung pur.



Die überwiesene Motion


Breits ein paar Tag vor meinem Jahrestag war ich im Einsatz für das Thema, das mir in die Wiege gelegt wurde. Inzwischen als Landrat im Amt beantragte ich am 20. November, die Motion «Die Chance nutzen und Umfahrung Netstal Glarus mit dem Bund planen» nicht zu überweisen.


Mit einer Motion verlangt ein Parlamentsmitglied, dass die Regierung eine Gesetzesänderung, einen Beschluss oder eine bestimmte Massnahme ergreift. Der Auftrag ist verbindlich, wenn das Parlament die Motion überweist.



Was mich besonders freut: Mein Votum hat ganze sechs weitere Voten ausgelöst. Zusammen mit dem eröffnenden (Motionär) und dem abschliessenden (Regierungrat) Votum waren neun Menschen bewegt, sich zu äussern. Danke an dieser Stelle an Hans-Jürg Marti; der ehemalige FDP-Landrat hatte die Motion als Erstunterzeichner eingereicht.


Das zurückhaltende Votum


Frau Präsidentin

Geschätzte Damen bis Herren


Ich beantrage im Namen der grossmehrheitlichen SP-Fraktion, die Motion «Die Chance nutzen und Umfahrung Netstal-Glarus mit dem Bund planen» nicht zu überweisen.


Schön, fliesst eines Tages nur noch wenig Strassenverkehr durch unseren Hauptort, wenn ganz Glarus eine einzige Begegnungszone ist. Schön, wenn eines Tages Glarus Süd prosperiert, zum zweiten Wollerau wird und das Silicon Valley der Alpen ist. 


Schön, wissen wir alle, dass das nicht dank der Umfahrungen passiert. Weil wir alle sehr gut wissen: Wer noch mehr Stau will, baut noch mehr Strassen. Wir alle wissen auch, dass die Wirtschaft nicht weitere Jahrzehnte auf Lösungen warten kann, die keine sind.


Natürlich weiss ich, dass ich mit grundsätzlicher Kritik an den Umfahrungen keinen politischen Blumentopf gewinne. Aber: Wir brauchen JETZT Lösungen für das Strassenverkehrsproblem. JETZT für die Wirtschaft, JETZT für Glarus Süd, JETZT für den Hauptort. Mit dieser Motion lösen wir aber JETZT kein einziges Verkehrsproblem, sondern bleiben garantiert auf allen Ebenen im Stau stecken.


Wenn wir wirklich solidarisch mit Glarus Süd, unserem Hauptort und der Wirtschaft sein wollen, sagen wir den Menschen JETZT offen, dass ihre Mobilität im Glarnerland weder von den Umfahrungen noch vom eigenen Auto abhängt. Ebenfalls JETZT machen wir gescheiter das lokale Autogewerbe fit für die mobile Zukunft und begleiten diese Transformation mit Innovationsförderung.


Das alles öffnet den Fächer zur Bestvariante: zur Verkehrswende. Und die braucht keine neuen Strassen, sondern eine effizientere Nutzung der bestehenden Infrastruktur.


Geschätzte Kolleg:innen,


Nein: Es macht kein Sinn, JETZT eine Aufgabe zu erteilen, die uns in noch grössere Verkehrsprobleme stürzt.


Vielen Dank, dass Sie diese Motion nicht überweisen.



Die freudige Überraschung


Für meine Antrag habe ich am 20. November mit elf Stimmen erwartungsgemäss keine Mehrheit gewonnen. Weil die Begründung die gleiche ist, wie bei der nationalen Abstimmung über den Autobahnausbau, ist die Übrraschung über das gestrige Nein der der Schweizer und der Glarner Stimmbevölkerung umso grösser.


Ein Landratskollege sagte im Vorfeld der Abstimmung, es brauche ein Glarner Ja zum Autobahnausbau, damit der Bund auch die Umfahrungen baue (sprich: zahle). Nun liegt die Ablehnung der Glanrer:innen mit 53,2 Prozent sogar über dem nationalen Ergebnis von 52,7 Prozent.


Natürlich liesse sich nun Morgenluft wittern, weil selbst Glarus bereit sein könnte für die Verkehrswende. Gut möglich, dass einige durch die Situation rund um die neue Querspange in Netstal erleuchtet wurden. Gut möglich, dass die Glarner:innen befürchten, das Geld würde dem Bund für die eigenen ersehnten Umfahrungen fehlen.


Das junge Vorbild


Bleibe ich Landrat, werde ich mich im Amt weiterhin nicht darum drücken, den masslosen Strassenverkehr immer wieder in Frage zu stellen und Alternativen in den Saal mitzubringen. Wie weit ich damit komme und ob es genug Menschen gibt, die mich deshalb im Rathaus haben wollen, erfahre ich 2026 bei den nächsten Landratswahlen.


Noch bevor es soweit ist, möchte ich nicht auf die nächste Gelegenheit warten, etwas zurückweisen oder ablehnen zu können. Ein gutes Vorbild für ein proaktives Vorgehen sind die Jungen Grünen. Sie haben die autofreien Sonntage oder die «Slow Sundays» im Klöntal lanciert. Ein bisschen dabei sein durfte auch ich damals mit Politik macht Kultur und neulich vor dem Rathaus.




Die künftigen Blumen


Ob ich jemals Blumen kriege für den Einsatz für die Verkehrswende, ist mir egal, obwohl ich Blumen mag. Es liegt in der Natur des Vorkämpfertums, dass viel später meistens ganz andere die Lorbeeren ernten. Aber Achtung: Lorbeer-Früchte eignen sich nur bedingt zum Verzehr. Die Blätter erfüllen einen würzenden Dienst, werden aber nicht gegessen.


Ganz anders meine Lieblingsbeere: Die ballastoffreichen Himbeeren enthalten reichlich Vitamin C, unterstützen die Leber und stärken das Herz-Kreislauf-System. Aber auch hier Achtung: Mein Lieblingscoupe «Heisse Liebe» schmeckt zwar wahnsinnig gut, sollte aber wegen Völllereigefahr nicht die einzige Verzehrform von Himbeeren sein.


Ähnlich verhält es sich mit dem Autofahren. Das Gerät ist zwar eine gute Erfindung, richtet aber auf allen möglichen Ebenen einen ziemlichen Schaden an, wenn es der Masslosigkeit verfallen ist. Bleibt es so, gibt es irgendwann weder Lorbeeren noch Himbeeren und schon gar keine Blumen mehr. Nicht nur für mich nicht. Für niemanden mehr.



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