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Natürlich mit dem Auto

  • Autorenbild: Werner
    Werner
  • 16. März
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 22. März

Ausflüge ins Klöntal und zum Obersee gehören zu meinen bleibenden Kindheitserinnerungen. Heute lebe ich nahe an diesen Orten und besuche sie selten.


Zum 31. Todestag von Dädi grübelte ich gestern einen unveröffentlichten Text hervor, an dem es noch was umzubauen gibt.


Zum Glück konnten meine Eltern die Kurzausflüge ins Glarnerland nur dienstags, an unserem Wirtesonntag, unter die Räder nehmen. Und nur abends, weil tagsüber Schule war. Wir hatten also freie Bahn – also freie Strasse. Es waren Ausflüge zum «Mond» und zum «Fjord». So kamen mir der Pragelpass und das Klöntal vor. Und es waren spannende Fahrten mit dem orangen Opel Rekord auf den engen Bergstrassen. Die zum Obersee war die spektakulärste unter ihnen. Ich bewunderte meinen Vater für seine Ausweichmanöver, während ich durch das Seitenfenster in die Tiefe staunte.


Der Haslensee versteckte sich im Auto auf dem Weg zum Obersee vor meinen Augen. Foto: Werner
Der Haslensee versteckte sich im Auto auf dem Weg zum Obersee vor meinen Augen. Foto: Werner

Kotzen am Strassenrand


Reichte es für Ferien, fuhr Dädi mit Vorliebe über Alpenpässe. Der Opel Rekord war mit der ganzen Familie derart ausgelastet, dass ich als Kleinster den Platz im Kofferraum des Kombis erhielt. Dort richtete ich mich mit Decken und Plüschtieren ein. Ob wir über den Oberalp- oder Sustenpass fuhren, konnte ich nicht unterscheiden. Noch weniger wusste ich, ob ich mich an der kurvigen Flüela- oder steilen Ofenpassstrasse übergab, während sich meine Eltern mit Brissago im Mund und 4711 Kölnisch Wasser auf der Haut fragten: «Warum verträgt Wernerli bloss das Autofahren nicht?»



Ich bin meinen Eltern dankbar für diese Ausfahrten. Für Erinnerungen, die einer der Gründe für ein Leben im Glarnerland waren. Für den Coupe Romanoff im Restaurant Vorauen oder das Schnitzel im Beghotel Obersee. Dankbar bin ich auch für die Erfahrung, dass es mir keine Freude bereitet, mit dem Auto in die Natur und durch Ortschaften zu fahren. Selbst auf der Zürcher Stadtautobahn, als wir uns auf der Weststrasse fragten, wie man hier nur wohnen könne, fragte ich mich im Stillen: Wie kann man hier nur Auto fahren?




Begegnung mit der gleichen Art


Eigentlich dachte ich immer, dass das Auto bald mal verschwindet, weil es so wahnsinnig unpraktisch ist. Ich irrte mich. Wahnsinnig zu sein, kein Auto im Glarnerland zu haben, wurde dagegen mir schon vorgeworfen. Dabei sorgen autofreie Menschen doch für weniger Stau und mehr Parkplätze.


Ich werde wohl nie verstehen, wieso Menschen bereit sind, Naturperlen und Dörfer (Lebensräume) für einen Haufen Blech, dreckige Luft und Lärm zu opfern. Eine mögliche Erklärung: Ohne «Versteckis» im Auto könnte man anderen Menschen begegnen, die reden wollen. Was tun, wenn das passiert? Einfach mal so «grüezi» sagen?



Invasionen und Infektionen


Zurück zum Obersee und ins Klöntal: An gut besuchten Tagen, wenn alle Parkplätze besetzt sind, werden die Zufahrten gesperrt. So richtig schön stelle ich mir diese Orte mit der Invasion der Autos trotzdem nicht vor. So kommt es, dass ich ganze Sommer lang nicht im Klöntal bin – immerhin kann die Glarner Landsgemeinde 2025 über die «Slow Sundays» entscheiden.


Inzwischen kommen nebst dem Strassenverkehr neue zerstörerische Elemente dazu wie Boote, welche die Seen mit der Quaggmuschel infizieren. Oder den Obersee zum Beispiel befällt immer mal wieder die Wasserpest.


Der Seegrund des Obersees ist wiederum sehr dicht mit der Nuttalls Wasserpest bewachsen | Foto: Aquaplus
Der Seegrund des Obersees ist wiederum sehr dicht mit der Nuttalls Wasserpest bewachsen | Foto: Aquaplus

Weil mich die Ursache des befallenen Obersees beschäftigte, fragte ich 2021 beim kantonalen Departement Bau und Umwelt (DBU) nach und bezog mich unter anderem auf eine kantonale Medienmitteilung.


«Der Obersee oberhalb von Näfels ist wegen seiner geringen Tiefe, der relativ hohen Sommer-Wassertemperatur und der Nährstoffverfügbarkeit ein idealer Lebensraum für einen üppigen Bewuchs mit Wasserpflanzen. In den letzten 20 Jahren hat sich das Artenspektrum wahrscheinlich aufgrund von Nährstoffeinträgen deutlich verschoben: Während früher niederwüchsige Pflanzen vorhanden waren, kommen heute hochwachsende Pflanzen vor, die bis an die Seeoberfläche reichen.» Medienmitteilung Kanton Glarus


Wie kam die Wasserpest in den Obersee?

DBU: «Wir wissen nicht genau, wie diese Pflanze in den Obersee gelangt ist. Das nächste Vorkommen ist im Fabrikweiher Niederurnen, die übernächsten in Weihern und Tümpeln im Linthgebiet, im Zürichsee und Pfäffikersee. Es ist möglich, dass ein Fischer im Fabrikweiher Köderfische gefangen hat und diese in einem Kübel mit Wasser inklusive Pflanzen in den Obersee gebracht hat. Es ist möglich, dass eine Familie ein aufblasbares Badespielzeug zuerst im Zürichsee und dann im Obersee gebraucht hat und dabei angeklebte Pflanzenreste mitgebracht wurden. Es ist möglich, dass eine Ente im Gefieder Pflanzenreste in den Obersee eingeschleppt hat. All das ist möglich, im Einzelfall zwar unwahrscheinlich, aber doch möglich, wir wissen es nicht. Auf jeden Fall muss man in Zukunft viel vorsichtiger sein, wenn man Boote, Paddelbretter, Spielzeuge oder Köderfische von einem Gewässer zum anderen spediert. Dabei können Muscheln und allerhand andere Lebewesen verschleppt werden.»

 

Was trägt die Klimaveränderung dazu bei?

DBU: «Es deutet vieles darauf hin, dass die Erwärmung in den letzten 20 Jahren vor allem in Gewässern auf mittlerer Höhe recht stark ist – unten eine Grafik vom Klöntalersee. Das hat sicher beigetragen, dass sich fremde Pflanzen in diesen Gewässern so stark vermehren.»



Welche Rolle spielen Nährstoffeinträge im Wasser?

 

DBU: «Die Aussage zu den Nährstoffeinträgen im Bericht ist wohl etwas überspitzt. Die Messungen haben gezeigt, dass die Nährstoffeinträge in den letzten vielleicht 15 bis 20 Jahren nicht übermässig sind und eher sinken. In Jahren mit starken Gewittern können aber durch die Erosion schon beträchtliche Mengen eingetragen werden. Unbestritten ist, dass früher (vor 20, 30 Jahren) im Obersee eher niederwüchsige Arten lebten, heute sind es (wegen der Wasserpest) vor allem hochwüchsige Arten. Dies ist sicher eine Folge der Temperaturerwärmung, aber vor allem auf die Eigenschaften der Wasserpest (Überleben unter dem Eis möglich, schnelles Wachstum im Frühling, tolerant gegenüber niedrigen Nährstoffkonzentrationen) zurückzuführen. Diese Nuttalls Wasserpest hat eine geeignete Nische gefunden, in der sie schnell wachsen und alle anderen Pflanzen dominieren kann. Wir haben gehofft, dass sie bei zu tiefem Eisengehalt im Wasser eingehen würde, aber es bewahrheitete sich dann nicht, weil sie ist auch in dieser Hinsicht sehr tolerant ist. Diese Pflanze ist eine Herausforderung.»


Immer überall sein


Mit meinem Dank für die Informationen empfahl ich dem DBU, die einheimischen und auswärtigen Besucher im Sommer besser zu informieren. Wenn viele Menschen kommen, können schliesslich viele erreicht werden. Überhaupt war mir die Sensibilisierung der Menschen auf die Infektion der Naturräume besonders während der Coronapandemie ein Anliegen. Darüber schrieb ich 2020 im Agenturblog von Panta Rhei PR.


Doch etwas vom Wenigen, das wir aus den Coronapandemie hätten lernen können, wurde mit allem anderen weggewischt. Deshalb rede ich mit Mami manchmal darüber, warum eigentlich immer alle überall sein müssen. Sie beschäftigt das zum Beispiel, wenn sie den Friedhof besuchen will, wo Dädis Grab inzwischen verschwunden ist. Sie braucht jemanden, der sie mit dem Auto hinfährt, das auf dem Friedhofparkplatz keinen Platz mehr findet, wenn Einsiedeln mal wieder viele Gäste im Blech anlockt.


Andersherum verkehren


Zurück nach Glarus, wo ich seit vier Jahren im Vorstand der lokalen Sektion vom Verkehrs-Club der Schweiz und seit drei Jahren deren Präsident bin. Zum Obersee bin ich seit meiner Kindheit nie mehr mit dem Auto gelangt. Dafür lernte ich zu Fuss die Wege vom Klöntal und vom Boggenmoor her ebenso kennen wie den Kreuzweg von Näfels.


Auch die Arbeit für den die VCS-Sektion Glarus kommt mir vor wie ein Kreuz- oder eben Leidensweg. Wer sich für weniger statt mehr Infrastruktur für den motorisieren Individualverkehr einsetzt, wähnt sich zuweilen auf verlorenem Posten und muss einen Weg finden, sich von diesem Gefühlt nicht abhalten zu lassen. Für den Vorstand sind übrigens neue «Gspäändli» gesucht.


Der Obersee wird vom Sulzbach gespiesen und hat keinen sichtbaren Abfluss. Foto: Werner
Der Obersee wird vom Sulzbach gespiesen und hat keinen sichtbaren Abfluss. Foto: Werner

Kleines Geleit


Heute, am Tag nach Dädis Todestag, ist AnNa R. im Alter von 55 Jahren gestorben. Die Sängerin von Rosenstolz wurde am Sonntagabend leblos in ihrer Wohnung aufgefunden. Die genauen Umstände ihres Todes sind noch unklar. Die Ermittler schliessen ein Verbrechen aus.




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